Wenn Körperkontakt fehlt
So gefährlich kann ein Berührungsentzug auf Dauer für uns werden
- Veröffentlicht: 04.03.2024
- 10:58 Uhr
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Trost, Zuneigung, Liebe: All das funktioniert nicht ohne Körperkontakt. Ein Mangel an Berührung beeinflusst unsere körperliche und psychische Gesundheit negativ.
Touch Starvation: der Hunger nach Berührungen
Das Phänomen der Touch Starvation war in der Pandemie weit verbreitet. Es tritt auf, wenn Menschen nicht so viel körperliche Nähe bekommen, wie sie gewohnt sind - oder gar keine mehr. Bei Kindern in Waisenhäusern oder auch bei älteren Menschen in Pflegeeinrichtungen kann das Phänomen teilweise ebenfalls beobachtet werden.
Wenn wir nicht genug berührt werden, können wir gestresst, ängstlich oder depressiv werden. Unsere mentale Gesundheit leidet. Als Reaktion auf Stress bildet unser Körper das Hormon Cortisol. Dies kann dazu führen, dass Herzfrequenz, Blutdruck, Muskelspannung und Atemfrequenz ansteigen, was sich negativ auf das Immun- und Verdauungssystem auswirkt.
Als Folge können schlechter Schlaf und ein höheres Risiko für Infektionen entstehen. Andere Erkrankungen wie Diabetes, Asthma und Bluthochdruck können sich verschlechtern. Findet der Berührungsentzug über einen langen Zeitraum statt, kann er sogar eine posttraumatische Belastungsstörung nach sich ziehen.
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Erhöhte Gewaltbereitschaft
Eine Untersuchung, veröffentlicht im "Adolescence Magazine", verglich das soziale Verhalten von Jugendlichen in Amerika und Frankreich. Dabei wurde festgestellt, dass französische Teenager sich etwa 220 Mal pro Stunde berührten: Schulterklopfen, Umarmungen, Antippen, High Fives, Fist Bumps… Amerikanische Jugendliche hingegen hatten nur etwa viermal pro Stunde physischen Kontakt. Die Studie ergab, dass in Kulturen mit geringerer physischer Berührung wie in den USA die Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen und Erwachsenen tendenziell höher ist.
Ein grausames Experiment
Im 13. Jahrhundert führte Friedrich II., ein römisch-deutscher Kaiser, ein Experiment durch, um die ursprüngliche Sprache herauszufinden, die Babys sprechen würden, wenn sie in völliger Isolation aufgezogen würden. Friedrich II. glaubte, dass die menschliche Sprache ein natürliches, von Gott gegebenes Phänomen sei, das sich in den Kindern entwickeln würde, wenn sie nicht durch externe Einflüsse gestört würden. Um dies zu testen, ordnete Friedrich II. an, dass einige Babys in eine isolierte Umgebung gebracht wurden, wo sie keine menschlichen Stimmen oder Interaktionen außer den absolut notwendigen hatten. Die Pfleger wurden angewiesen, nicht mit den Kindern zu sprechen oder mit ihnen zu interagieren, um die Auswirkungen von Umweltreizen auf die Entwicklung der Sprache zu minimieren.
Das Experiment endete fatal. Die Babys, die in dieser isolierten Umgebung aufwuchsen, lernten natürlich keine menschliche Sprache. Viele starben frühzeitig aufgrund von Vernachlässigung oder mangelnder Versorgung. Andere hatten starke Entwicklungsstörungen.
Das Experiment ist ein erschütterndes Beispiel dafür, wie extreme Isolation und Vernachlässigung die Entwicklung von Babys stark beeinträchtigen können und verdeutlicht die Bedeutung von menschlichen Interaktionen und sozialer Stimulation für die gesunde Entwicklung von Kindern.
Warum Kuscheln so gesund ist
Menschen sind soziale Lebewesen und körperliche Nähe ein wichtiger Faktor in unserer Kommunikation und für unser Wohlbefinden. Beim Kuscheln steigt unser Oxytocin-Level. Das tut es übrigens auch, wenn wir unseren Hund oder unsere Katze knuddeln! Das sogenannte Kuschelhormon sorgt dafür, dass unser Stresslevel sinkt und hat noch einige weitere positive Auswirkungen.
Wie fühlt sich Liebe an? Ob es nun die platonische Liebe ist oder die einzig wahre Liebe: Dass wir Kuscheleinheiten im Alltag brauchen, ist klar. Wie wäre es also mal wieder mit einer Liebeserklärung?
Stärkeres Immunsystem
Eine Studie, die in der Zeitschrift Psychological Science veröffentlicht wurde, ergab, dass Menschen, die regelmäßig umarmt wurden, seltener an einem Erkältungsvirus erkrankten als diejenigen, die keine körperliche Zuneigung erhielten. Umarmungen tragen dazu bei, das Immunsystem zu stärken: Sie verbessern die Fähigkeit zur Bekämpfung von Krankheiten, indem sie Stress reduzieren und das psychische Wohlbefinden fördern. Chronischer Stress wiederum schwächt nachweislich das Immunsystem.
Bessere mentale Gesundheit
Menschen, die regelmäßig kuscheln, sind Studien zufolge nicht nur weniger anfällig für Stress, sondern auch für Depressionen und Angstzustände. Kennen wir ja selbst: Wenn wir nach einem anstrengenden Tag liebevoll in die Arme genommen werden, ist die Welt fast schon wieder in Ordnung.
Innigere Beziehung
Nach einem Streit fühlen wir uns von unserem Partner oder der Partnerin häufig distanziert, manchmal passiert das auch einfach so. Ein einfaches Mittel, um die Intimität wiederherzustellen, ist eine kleine Kuschel-Session, eine ausgiebige, innige Umarmung.
Starkes Herz
Wer häufig umarmt wird, ist weniger anfällig für erhöhten Blutdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Erholsamer Schlaf
Ein höheres Oxytocin-Level sorgt dafür, dass wir uns entspannen und schneller in einen tiefen Schlaf fallen.
Bessere Verdauung
Wenn unser Stresslevel durch das Oxytocin gesenkt wird, kann unser Körper zur Ruhe kommen und sich auf Aufgaben wie die Verdauung konzentrieren. Wenn wir unter Strom stehen, hat er dafür manchmal keine ausreichenden Kapazitäten.
Faszinierende Fakten über Berührungen
Wusstest du, dass Patient:innen schätzen, dass der Arzt oder die Ärztin ihnen mehr Zeit gewidmet hat, wenn sie einmal von ihm oder ihr berührt wurde? Dass Kellner:innen im Schnitt mehr Trinkgeld bekommen, wenn sie die Gäste einmal leicht berührt haben? Unser Tast- und Berührungssinn funktioniert über die Haut, sie ist unser größtes Organ - knapp zwei Quadratmeter misst sie! Und während manche Menschen ohne Geruchssinn auf die Welt kommen, ohne Gehör oder ohne Sehkraft, gibt es niemanden, der ohne Tastsinn geboren wird.