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Das hat es mit dem Hype um das Fabelwesen auf sich

Warum sind wir so verrückt nach Einhörnern?

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© Gettyimages

Spätestens mit dem Hype um die Einhorn-Schokolade war klar: Das Internet ist verrückt nach dem Fabelwesen. Sucht man bei Instagram nach dem Hashtag Unicorn, findet man über fünf Millionen Einträge. Man sieht glitzernde Handyhüllen, aufblasbare Schwimmtiere, bunte Hausschuhe, T-Shirts mit Einhorn-Print oder Poster mit dem Spruch: „Always be yourself. Unless you can be a unicorn. Then always be a unicorn.“

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Das Überraschende daran: Diese Bilder zeigen keine Spielzeugkiste aus dem Kindergarten, sondern die Besitztümer von Frauen jenseits des Grundschulalters. Schauspielerin Margot Robbie trug zur Weltpremiere des Films „Suicide Squad“ ein Kleid, auf dem sich ein silberfarbenes Einhorn um ihren Oberkörper rankt. Es stammt nicht aus der Karnevals-Abteilung im Kaufhaus, sondern aus der Kollektion Herbst/Winter 2016 des Labels Alexander McQueen. Künstler Damien Hirst kreierte 2008 „The Dream“, eine in Formaldehyd konservierte Einhorn-Skulptur, die im gleichen Jahr für 2,3 Millionen Pfund versteigert wurde. Lady Gaga ließ sich als Einhorn-Mensch-Wesen inszenieren und spätestens mit dem eigenen Emoticon wurde das Einhorn zum Rockstar unter den Tieren geadelt. Die Infantilisierung scheint unaufhaltsam.

EINE FLUCHT AUS DER REALITÄT

Wann immer sich Frauen an kindlich konnotierten Accessoires erfreuen, liegt der Verdacht nahe, dass sie einfach gerne wieder kleine Mädchen wären. Also an Zeiten, an denen sie unbekümmert als kleine Prinzessinnen im Tutu in den Kindergarten gingen, um dort mit My Little Pony zu spielen. Die Realität sieht freilich meist anders aus: Wir sitzen eher mit drohendem Burn-Out am Schreibtisch, als mit Muschelförmchen am Strand. Die Wissenschaft nennt dieses Phänomen „Kidsadults“, eine Mischung aus Kids und Adults. Menschen, die sich  – mehr oder weniger demonstrativ – weigern, erwachsen zu werden.

Margot Robbie trägt bei der Premiere von "Suicide Squad" ein Einhorn-Kleid.
Margot Robbie trägt bei der Premiere von "Suicide Squad" ein Einhorn-Kleid.© WENN

Doch möglicherweise unterschätzt man die Gesinnung der Einhorn-Fans und sie streben nicht nach dem ewigen Blödelalter, sondern nach dem Wahren, Guten, Schönen. Denn das Einhorn gilt als das edelste der Fabeltiere und steht, grob zusammengefasst, für das Gute in einer bösen Welt. In der Antike und dem Mittelalter wurden es als Symbol für die unterschiedlichsten Tugenden interpretiert: für Reinheit, Glücksseligkeit, Jungfräulichkeit, Heiligkeit, Hoffnung oder Tapferkeit. Der tierische Batman in Gotham City.

Hinter der aktuellen Omnipräsenz des Einhorns scheint also die Sehnsucht nach einer besseren Welt zu stehen. Einer Welt ohne Terror und Intrigen, dafür gefüllt mit der Hoffnung auf den Goldtopf am Ende des Regenbogens. Das darf man übrigens gleich im doppelten Sinne verstehen: Denn als „Unicorns“ werden auch junge Unternehmen bezeichnet, die ihren Wachstum in kürzester Zeit potenzieren können und die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden, wie zum Beispiel Snapchat oder Uber. 

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DIE GESCHICHTE DES EINHORNS

Sogar Philosoph Aristoteles (384–322 v. Chr.) beschrieb in der Antike das Einhorn in seinen Naturbetrachtungen. Der römische Kaiser Julius Caesar (100–44 v. Chr.) will eines gesehen haben und auch in der Bibel taucht es mehrfach auf. Das liegt allerdings, so weiß man heute, schlicht an einem Übersetzungsfehler.

Künstler Damien Hirst schuf eine in Formaldehyd konservierte Einhorn-Skulptur.
Künstler Damien Hirst schuf eine in Formaldehyd konservierte Einhorn-Skulptur.© Gettyimages

Im Physiologus, einer Art Volksbuch über Flora und Fauna, das ab dem 2. Jahrhundert überliefert wurde, wird das Einhorn ausführlich beschrieben und der Entdecker Marco Polo (1254-1324) berichtete, ein starkes Wesen mit einem doppelspiraligen Horn in Indien gesichtet zu haben. Diesem Horn schrieb man eine antitoxische Wirkung zu, weswegen das „Einhorn“ im 13. Jahrhundert gejagt statt gehypt wurde. Später stellte sich allerdings heraus, dass es sich bei dem Horn um die Stoßzähne von Narwalen handelte – aber Glaube versetzt ja bekanntlich Berge und in diesem Fall hielt er die Legende um das Fabelwesen aufrecht.

Weil das Einhorn zwar sehr tugendhaft, aber auch sehr schüchtern war, konnte es angeblich nur von Jungfrauen gefangen werden. Vermutlich weil diese auch „tugendhaft und schüchtern“ sind. Und so schließt sich der Kreis zu der unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria. Das Einhorn wurde dann sozusagen das Hello-Kitty-Äquivalent des Mittelalters und zahllose Wandteppiche und Gemälde entstanden, die höfische Damen mit einem Einhorn darstellen, auch wenn diese Epoche so ganz und gar nicht für eine sorgenfreie Ära der Weltgeschichte bekannt ist.

WISSENSCHAFTLICH BELEGT: DAS EINHORN EXISTIERT.

Doch ähnlich wie der Religion erging es auch dem Einhorn: Die Naturwissenschaften stellten zunehmend seine Existenz in Frage und das Einhorn wanderte aufs Abstellgleis. Trotzdem beschäftigen sich Zoologen bis heute mit der möglichen Existenz des mystischen Pferdes mit Horn. Im Frühjahr 2016 fanden Paläontologen tatsächlich einen 29.000 Jahre alten Einhornschädel in Kasachstan. Da hat die Generation Y also ihren Beweis: Es gab wirklich Einhörner. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen waren sie allerdings nicht weiß-glänzend und stießen Regenbögen aus, sondern ähnelten einem struppigen Riesennashorn. 

Wer bei so viel Realität am liebsten von einem Einhorn gerettet werden möchte, der hält es am besten mit Erich Kästner, der einst sagte: „Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch."

Text: Isabelle Braun

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